Meerweib

Meerweib
Meerweib

Wenn man sich am Lago Maggiore direkt nach der Schweizer Grenze in den Kastanienwald am Hang aufmacht, gelangt man nach einem Marsch von ca. 45 Minuten zu einem alten Dorf. Fernab und nur zu Fuß erreichbar, bietet sich dem Wanderer ein verträumtes Bild: alte Häuser, verfallene Ruinen, verwilderte Gärten und ein atemberaubender Blick auf den See. Verzaubert und überwältigt von der Kulisse begreift man erst allmählich die Widersprüchlichkeit des Ortes. Auf ein Rufen antwortet niemand. Die Fenster und Türen der Häuser fest verschlossen. Zwischen An- und Abwesenheit, zwischen Verfall und Erhalt, spinnt sich ein verschwommenes Dazwischen. Schatten, Umrisse, Schemen – am seidenen Faden zwischen Realität und Traum.

Als ich im Sommer 2001 an einem sonnigen und heißen Tag diesen verwunschenen Ort entdeckte, vernahm ich in der Ferne ein Flüstern und Wispern. Angezogen von der zarten, sanften Stimme verließ ich das Dorf, auf dem parallel zum Hang verlaufenden Wanderweg und gelangte an einen kleinen Bachlauf. Diesem folgte ich den Berg hinauf und entdeckte hinter Felsen versteckt, ein schattiges Wasserbecken mit einem kleinen Wasserfall. Inmitten des Wassers erhob sich ein Felsblock auf dem eine Frauengestalt saß – nur einen Augenblick, bis sie meine Anwesenheit bemerkte. Dann glitt sie sanft vom Stein hinunter in das kalte Nass. Im glasklaren Wasser konnte ich keine Spur mehr von ihr finden. Nur ein blauer Schimmer blieb zurück auf dem stein auf dem sie saß.

Performance, Formine, Oktober 2001